Stellungnahme ÖJV zur Novellierung des BJagdG

Archiv: Stellungnahme BJagdG

Erheblichen Verbesserungsbedarf angemahnt.


Stellungnahme des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV) zum Novellierungsvorschlag zum BJagdG des BMEL vom 13. Juli 2020

 

Der ÖJV sieht zu dem von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner vorgelegten Entwurf erheblichen Verbesserungsbedarf.

In Zeiten des überdeutlich sichtbaren Klimawandels ist eine konsequent waldfreundliche Jagd notwendiger denn je. Dazu muss es mindestens in zwei wichtigen Bereichen des Gesetzentwurfs substantielle Weiterentwicklungen geben: 

  1. Das Waldverjüngungsziel muss klar definiert werden.
  2. Grundlage für die Abschussplanung muss unter behördlicher Beteiligung ein Vegetationsgutachten sein.

 

  1. Die Formulierung in § 1 (2) 3 und 27 (1) („Sie soll insbesondere eine Naturverjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen.“) und § 21 (1) („und die Ermöglichung einer Naturverjüngung im Wald im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen“) ist so unpräzise, dass mit einer einzigen naturverjüngten Art dem Gesetz genüge getan wäre.
    Nötig wäre die „standortgerechte“ Waldverjüngung, die sich immer aus mehreren Arten zusammensetzt. Dort, wo bisher relativ monotone Wälder vorherrschten oder wo aufgrund der Klimaveränderung zu wenige stabile Mischbaumarten mehr vorkommen, muss auch gepflanzt und gesät werden und diese Verjüngung muss ebenso ohne Schutz aufwachsen können. Auch die zum jeweiligen Waldökosystem gehörigen Strauch- und Krautarten müssen sich mit ausreichenden Anteilen etablieren und entwickeln können.

 

Vorschlag: „Die Bejagung hat insbesondere die standortgerechte Naturverjüngung des Waldes sowie Saat und Pflanzung klimatoleranter oder auch anderweitig erforderlicher Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen zu ermöglichen.“ 

  1. Abschusspläne dürfen nicht nach Gutdünken erstellt werden. Grundlage muss allein schon nach der Logik der Nahrungspyramide in erster Linie der Lebensraum des Schalenwildes sein. Da unsere Wälder mit ihren Funktionen (hinsichtlich z.B. Wasser- und Bodenschutz, Klimaschutz, Biodiversität, Rohstoffgewinnung und Erholung) systemrelevant für unsere Gesellschaft sind, müssen sie der Maßstab für die Abschussfestsetzung sein. Behördlich erstellte Vegetationsgutachten, die bis auf die Ebene der Reviere erhoben werden, bilden die einzige objektive Grundlage für eine Abschussplanung. Die damit geschaffenen Wälder sind andererseits eine stabile Lebensgrundlage für die Schalenwildbestände. Der Schutz des Waldes ist damit für Mensch und Wild das übergeordnete Ziel.

 

Die Verantwortung für die Abschusspläne darf und kann den Grundeigentümern und Jagdpächtern nicht ausschließlich überlassen werden. Das verbietet sich schon aufgrund der vielfältigen Gemeinwohlfunktionen des Waldes für die Gesellschaft, aber auch aus Verantwortung gegenüber den wild lebenden Tieren. 


Vorschlag zu § 21 (2a): „Die Parteien des Jagdpachtvertrages vereinbaren unter verbindlicher Beteiligung der Jagdbehörde einen jährlichen Mindestabschuss für Rehwild entsprechend Absatz 1. Grundlage dafür und für die Erstellung der Abschusspläne der anderen wiederkäuenden Schalenwildarten ist ein behördlich erhobenes, revierweises Vegetationsgutachten.“

 

Für die Pachtverträge muss Vertragsfreiheit gelten. Eine Aufhebung der Mindestpachtzeit bringt mehr Freiheit für die Verpächter und ermöglicht in Konfliktfällen einen schnellen Pächterwechsel. 

Nicht nur beim Rehwild, auch bei allen anderen Schalenwildarten, die Abschussplänen unterliegen, sind letztere behördlich zu erstellen und zu flexibilisieren. So sollen z.B. für die Jugendaltersklassen die Abschusspläne immer als Mindestabschusspläne gelten.

 

Weitere Aspekte für die dringend notwendige Anpassung der Jagdpraxis einer effektiven, tierschutzgerechten Schalenwildbejagung wären die Duldung überjagender Hunde bei Bewegungsjagden, die Synchronisierung und Anpassung der Jagdzeiten an klimatische Änderungen auf alles Schalenwild, sowie ein klares Fütterungsverbot, um die Wildbestände nicht noch weiter anzuheben.

 

Die Forderung nach einem Schießübungsnachweis hat möglicherweise einen minimalen positiven Effekt, konsequent wäre ein Leistungsnachweis, um die Effizienz der Gesellschaftsjagden und ihre tierschutzgerechte Durchführung entscheidend zu fördern.

 

Die Einführung einer Berücksichtigung des „Erhaltungszustands der Wildarten“ bei der Festsetzung der Jagdzeiten kann zu einem Hindernis für die auf großen Flächen dringend notwendige Reduzierung der Schalenwildbestände gemacht werden. Dem Zustand des Lebensraumes Wald ist gerade in der momentanen prekären Situation Vorrang zu gewähren.

 

Dass Bleimunition nicht verboten, sondern in langwierigen Verfahren zertifiziert und seine Verwendung bis 2027 evaluiert werden soll, ist angesichts der nachgewiesenen Toxizität und des Vorhandenseins ausreichender, tauglicher Alternativen völlig unverständlich.

 

Angesichts der dramatischen Klimaänderungen und dem damit verbundenen „Waldsterben 2.0“ trägt die Jagd vor allem mit der Schalenwildbejagung eine sehr große gesellschaftliche Verantwortung. Die Novellierung des Bundesjagdgesetzes muss deshalb die Grundlagen zur Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen (§20a GG) verbessern.

 

gez.

Elisabeth Emmert

ÖJV-Bundesvorsitzende

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