Bergisches Land 2022, Fotos © F. C. Heute
Sichtbare Entmischung im Laubmischwald: Keine krautigen Arten in der Krautschicht, keine Gehölzverjüngung außer Fichte und (verbissene) Buche. So gelingt der Waldumbau nicht.
Seit einigen Jahren bereits ist deutlich geworden, dass die herkömmliche Jagdverpachtung nach dem Höchstgebot nicht geeignet ist, um im Revier Schalenwild effektiv zu regulieren und Wildschäden zu verringern. Das System (großes) Revier und (teure) Jagdpacht ist auf die Hege und „Bewirtschaftung“ des Wildes ausgerichtet. Es hat die aktuell enorm hohen Schalenwildbestände hervor gebracht. Das System ist auf den Schutz und die Förderung des Wildes ausgerichtet (was im Niederwildrevier auch nach wie vor Sinn ergibt) – aber eben nicht auf eine wildschadenorientierte Jagd, geschweige denn auf eine Reduktion der Reh- und Hirschbestände.
Mit dem gängigen „Kniff“ der Verpächter, die Wildschadenersatzpflicht auf den Jagdpächter zu übertragen, hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Der Jagdpächter zahlt (reichlich) für das Recht der Jagdausübung und versichert den Eigentümern die Schäden! Doch was sich über zum Jahrzehnte gängigen Modell entwickelt hat, erweist sich nun als Auslaufmodell.
Denn die Wildschäden sind mit dem Anwachsen der Wildbestände ausgeufert und sind für die akut notwendige Wiederbewaldung eine existentielle Gefahr. Denn bei hohen Wilddichten wird die Waldverjüngung derart beeinträchtigt, dass außerhalb von Zäunen kein artenreicher Wald nachwachsen kann!
Die Annahme von Jagdgenossenschaften/ Eigenjagden, Wildschäden (die nicht vom Jagdpächter bezahlt werden) durch die Einnahme hoher Jagdpachten kompensieren zu können, hält vor diesem Hintergrund keiner Prüfung stand. Zumindest in keinem Revier, in dem mehrere Hektar Wald wiederbewaldet werden müssen. Die weit verbreitete Entmischung der Arten ist kaum jemandem bewusst – auch nicht den Waldbesitzern.
Dass in den Revieren fast nur noch Birken, Fichten und Buchen nachwachsen, ist zwar sichtbar. Doch die Verdrängung (durch Verbiss!) bis hin zum vollständigen Fehlen folgender Arten wird nicht mit der Wildwirkung oder zu hoher Wilddichte (oder zu wenig Jagd) in Verbindung gebracht: Traubeneiche, Stieleiche, Bergahorn, Esche, Elsbeere, Mehlbeere, Speierling, Bergulme, Holzapfel, Hainbuche, Vogelkirsche, Eberesche, Salweide, Aspe, Flatterulme, Erle, Feldulme, Winterlinde, Sommerlinde und Bruchweide. In intensiv bejagten Revieren (Netzwerk) sehen wir seit Jahren, dass all diese Arten ohne Schutzmaßnahmen wachsen würden – wenn denn entsprechend gejagt wird!
Bergisches Land 2022, Fotos © F. C. Heute
Sichtbare Entmischung im Laubmischwald: Keine krautigen Arten in der Krautschicht, keine Gehölzverjüngung außer Fichte und (verbissene) Buche. So gelingt der Waldumbau nicht.
Die finanziellen Auswirkungen von Verbissschäden und Entmischung sind schwer greifbar. Das liegt insbesondere daran, dass die Entmischungseffekte kaum messbar sind. Der Keimling, der gefressen wurde, ist nicht mehr sichtbar. Ebenso wenig das Phänomen, dass alle Keimlinge und Zweijährige einer Art vollständig gefressen wurden und somit eine komplette Pflanzenart im Artenspektrum fehlt. Man stelle sich vor, in der Landwirtschaft wäre es nicht möglich, einzelne Arten zu kultivieren, weil alle Sämlinge vom Wild aufgefressen werden, z. B. vom Mais.
Dennoch können die finanziellen Wildschäden zumindest abgeschätzt bzw. das Einsparpotential ermittelt werden, das durch angepasste Wildbestände entsteht. Von Trotha hat bereits 2010 – nach Analyse von 81 Forstbetrieben (119.000 ha) – berechnet, dass jedes erlegte Reh in den ersten fünf Jahren des Waldumbaus zu einer betriebswirtschaftlichen Ersparnis von 1.500 € führte. Der Saldo aus Verlusten aus der Jagd (entgangene Jagdpacht) und Ersparnis beim Waldumbau betrug jährlich 155 € pro Hektar (von Trotha 2010).
Ein Rechenbeispiel verdeutlicht den finanziellen Vorteil von zielorientierter Jagd gegenüber der Hegejagd mit Höchstgebot-Verpachtung. Bei dem Beispiel gehen wir davon aus, dass bei Beibehaltung der herkömmlichen Jagd aufgrund der signifikanten Entmischung keine artenreiche Wiederbewaldung ohne Schutzmaßnahmen möglich gewesen wäre. So wie es die aktuelle Situation in den meisten Regionen in NRW ist.
Das waldbauliche Ziel des artenreichen, „klimastabilen“ Mischwaldes wäre nur hinter wilddichten Zäunen realisierbar. Ein Hektar Kahlfläche einzuzäunen kostet mindestens 4.000 € (Vgl. Oppermann in ÖKOJAGD 1/20).
Für unser Forschungsrevier wurde berechnet, dass die Gatterung der ca. 20 Hektar Kalamitätsflächen, die 2018 bis 2021 im Revier entstanden sind, den Eigentümer rund 76.000 € (netto) für den Bau, 8.000 € für zehn Jahre Kontrolle und Wartung sowie mindestens 20.000 € für den Abbau und die Entsorgung gekostet hätten. Zuzüglich der Kosten für konventionelle, flächendeckende Aufforstung mit Großpflanzen von ca. 180.000 € würde die Wiederbewaldung der Flächen 356.000 € kosten.
Bei einer Jagd wie im Forschungsrevier praktiziert und entsprechend angepasstem Rehbestand wird ein naturnaher Waldbau mit Nutzung des riesigen natürlichen Verjüngungspotentials ohne Zaun überhaupt erst möglich.
Stadtwald Hagen 2022
Eine artenreiche Wiederbewaldung nach Kyrill aus zwölf Baumarten wurde durch intensive Rehwildbejagung erreicht.
Mit Nutzung dieses Potentials könnte ein partielles Bepflanzen von max. 50% der Flächen ausreichend sein. Die Gesamtkosten für die Wiederbewaldung beliefen sich in diesem Fall auf 40.000 €. Das entspricht 2.000 € pro Hektar anstatt 17.800 € pro Hektar. Eine artenreiche und standortgerechte Wiederbewaldung gemäß der aktuellen Waldbaukonzepte kostet den Eigentümer bei hoher Wilddichte und unzureichender Bejagung also etwa das Neunfache.
Manche Verpächter haben mittlerweile eingesehen, dass die artenreiche Wiederbewaldung bei Beibehaltung der konventionellen Jagd nicht möglich sein wird. Doch es ist nicht allein damit getan, den Jagdpachtvertrag zu ändern oder den Jägern aufzuerlegen, sie mögen ein paar Rehe mehr schießen.
Nicht nur aus dem Netzwerk der „Vorbildlichen Rehwildreviere“ (s. Projekt „Nachhaltige Rehbejagung“, Teil 2: Netzwerk Vorbildliche Rehwildreviere, ÖKOJAGD 4-2019 oder https://www.wildoekologie-heute.de) ist bekannt, dass nur eine rigorose Umstellung der Jagd Erfolg versprechend ist. Es ist kein Positivbeispiel bekannt, in dem nicht alte Zöpfe hätten abgeschnitten werden müssen.
Eine zielgerichtete, waldfreundliche Jagd im Sinne der Eigentümer ist nicht mit der herkömmlichen Jagdausübung im Pachtrevier vergleichbar. Es ist ein anderes System. Und braucht daher ganz andere Rahmenbedingungen. Verpächter von Gemeinschaftlichen Jagdbezirken sollten daher sorgfältig abwägen, ob das Revier weiter konventionell verpachtet und bejagt – oder ob eine gezielte, waldorientierte Jagd im Revier etabliert werden soll. Ist dies der Fall, müssen die Jagdgenossen zu (sehr) deutlichen Abstrichen bei der Jagdpachteinnahme bereit sein.
Hinweise für Jagdgenossenschaften:
Anforderungskatalog an Mitjäger/innen
Die waldfreundliche Jagd ist sehr viel arbeitsaufwändiger als die herkömmliche Pachtjagd. Es müssen mehr Ansitze durchgeführt werden, mehr Hochsitze gebaut und die Drückjagden professionell organisiert und durchgeführt werden (s. Abb.1).
Man kann davon ausgehen, dass der Arbeitsaufwand im konsequent bejagten Revier mindestens vier- bis fünfmal höher ist als im konventionellen Pachtrevier. Nur so sind Strecken zu erreichen, die notwendig sind und meist drei- bis viermal höher sind als in den Vorjahren bzw. im Vergleich mit anderen Revieren der Region. Erfolgreiche Jagdteams, denen die Anpassung des Rehwildbestandes gelingt, sollten durchaus belohnt werden. Denn eine Jagdgenossenschaft kann sich glücklich schätzen, wenn sie ein funktionierendes Jagdteam im Revier hat. Bislang gibt es erst sehr wenige Beispiele für erfolgreich bejagte Gemeinschaftliche Jagdbezirke.
Abb1: Im Gegensatz zum herkömmlich bejagten Pachtrevier wurden im Forschungsrevier etwa dreimal so viel Ansitze durchgeführt (viele per organisierten Gemeinschaftsansitzen). Bis zu dreimal mehr geeignete Hochsitze mussten finanziert, gebaut und unterhalten werden. Der Aufwand für Organisation und Durchführung der Bewegungsjagden ist vier- bis fünfmal höher.
Erfolg verspricht, wenn Eigentümer/Verpächter vertrauensvoll mit einem engagierten und versierten Jagdteam zusammenarbeiten.
Beispiel ÖJV-Lehrrevier Rommersberg
In einem Eigenjagdbezirk der von Spee‘schen Forstverwaltung Heltorf (Düsseldorf) im Bergischen Land wurde die Jagdstrategie 2021 umgestellt. Die extremen Trockensommer, die diese Region besonders hart getroffen haben, haben in dem von Fichten dominierten Revier extreme Schäden hinterlassen. Über 130 Hektar (der 200 Hektar ehemaligen Waldfläche) sind in kurzer Zeit zu Kahlflächen und damit Wiederbewaldungsstandorten
geworden. Um die Flächen artenreich wieder zu verjüngen, müssten aufgrund der hohen Rehwilddichte Kulturzäune errichtet werden.
Doch der Eigentümer hat erkannt, dass die Gatterung der Flächen keine ernsthaft in Betracht zu ziehende Option ist. Stattdessen soll im Revier der Rehwildbestand angepasst werden. Die Rehwildbejagung ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen einer erfolgreichen Bewaldung der Kahlflächen. Daher wird der Jagd ein entsprechender Stellenwert eingeräumt.
Das Revier wird von sehr engagierten, handwerklich versierten und mit den Methoden der effektiven Wildregulierung vertrauten Begehungsscheininhabern bejagt.
Die Jäger (vier für 250 Hektar) wohnen reviernah und organisieren Gemeinschaftsansitze und Drückjagden. Im ersten Jahr wurden 31 Rehe pro 100 Hektar Wald erlegt, so dass der Verbissdruck auf den Kahlflächen gleich im ersten Winter deutlich gesenkt werden konnte.
Ein begleitendes Vegetationsmonitoring wird die Entwicklung der Verjüngungsflächen aufzeigen. Bislang verjüngt sich im Revier ausschließlich Fichte, Buche und Ilex.
Wenn sich aufgrund der gezielten Bejagung in einigen Jahren eine artenreiche (Bergahorn, Eberesche, Eiche, Kirsche, Aspe etc.) neue Waldgeneration ohne Zaunschutz eingestellt haben wird, hat sich die Strategie des Eigentümers ausgezahlt.
Der Eigentümer hat sich wie folgt eingebracht:
https://www.wildoekologie-heute.de/rehwildprojekt/tipps-für-verpächter/